Füreinander Sorge tragen
Unsere Familienproduktion Die drei Räuber, die am 15. Januar 2025 Premiere feiern wird, entsteht in Zusammenarbeit mit dem Theater HORA, in dessen Ensemble ausschliesslich Schauspieler:innen mit kognitiver Beeinträchtigung arbeiten. Mit der künstlerischen Co-Leiterin Yanna Rüger spricht Dramaturgin Anja Horst über die Erfahrungen bei der Entwicklung und Etablierung einer inklusiveren Stadttheaterpraxis.
Anja Horst: Yanna, was ist für dich das Besondere am Theater HORA?
Yanna Rüger: Das Besondere sind für mich die Menschen, die am Theater HORA arbeiten. Sie sind sehr unterschiedlich, haben unterschiedliche innere Welten, Zeitrealitäten und Geschmäcker. Sie brauchen Unterstützung und werden hier in ihren Bedürfnissen sehr ernst genommen. Für mich ist das Theater HORA ein Ort, der geprägt ist von Humor und dem Mut, sich in seiner Andersartigkeit zu feiern und zu präsentieren. In diesem Sinne ist es eigentlich auch ein utopischer Ort für unsere Gesellschaft.
Anja Horst: Zu einem zentralen Punkt eurer Arbeit gehört die Zusammenarbeit mit externen Künstler:innen, Kollektiven und Theatern aus dem In- und Ausland. Warum ist euch das so wichtig?
Yanna Rüger: Wir wollen keine Insel sein. Wir wollen nicht im eigenen Saft schmoren. Uns ist es wichtig, sich über die Arbeit mit den unterschiedlichsten Menschen und Künstler:innen zu verbinden und auszutauschen. Das ist inspirierend und bereichernd, sowohl menschlich als auch künstlerisch. Für alle Beteiligten.
Anja Horst: Vor allem die grösseren Theater haben sehr feste Strukturen. Stehen diese nicht oft im Gegensatz zu den Bedürfnissen eurer Spieler:innen? Welche Hürden müsst ihr überwinden?
Yanna Rüger: Vor allem die grossen Stadttheater sind an bestimmte Abläufe gebunden, und die lassen sich tatsächlich oft nicht gut mit den Bedürfnissen unserer Spieler:innen vereinen. Die Probenzeiten sind zum Beispiel problematisch.
Anja Horst: Weil oft in zwei Blöcken à vier Stunden geprobt wird?
Yanna Rüger: Ja. Das übersteigt zum Teil die Kapazität unserer Spieler:innen, zum anderen kollidiert es mit den Strukturen der Wohnheime. Dort gibt es geregelte Essenszeiten. Es braucht viel Geduld und Organisation, um eine solche Kooperation zu realisieren. Aber es ist toll, dass es ein grosses Interesse gibt, individuell nach Lösungen zu suchen. Das HORA-Manifest dient uns dabei als Grundlage.
Anja Horst: Gibt es Entwicklungen und Lernprozesse, die zu einer inhaltlich und strukturell inklusiveren Zusammenarbeit geführt haben?
Yanna Rüger: Es braucht viel Zeit, um Häuser langfristig strukturell aufzuweichen oder zu verändern. Aber es gibt auf jeden Fall Lernprozesse. Eine zweite Zusammenarbeit setzt schon an einem anderen Punkt an. Dann ist ein Bewusstsein dafür entstanden, was es bedeutet, mit Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung zu arbeiten. Konsequent wäre es, auch für sie Arbeitsplätze in den Werkstätten, der Schneiderei oder der Maske anzubieten. Aber es bedeutet einen erheblichen Mehraufwand, einen geschützten Arbeitsplatz anzubieten. Es braucht Begleitung. Es braucht Geld und Ressourcen. Daran scheitern solche Entwicklungen häufig, obwohl die Bereitschaft der Menschen im Betrieb eigentlich da wäre.
Anja Horst: Was bedeutet Inklusion für dich persönlich?
Yanna Rüger: Die Bereitschaft, unterschiedliche Bedürfnisse wahrzunehmen und zu respektieren. Und vor allem auch Verantwortung zu übernehmen und füreinander Sorge zu tragen. Inklusion gelingt eigentlich erst dann, wenn alle Beteiligten bereit sind, diese Care-Arbeit mitzutragen.
Yanna Rüger: Das Besondere sind für mich die Menschen, die am Theater HORA arbeiten. Sie sind sehr unterschiedlich, haben unterschiedliche innere Welten, Zeitrealitäten und Geschmäcker. Sie brauchen Unterstützung und werden hier in ihren Bedürfnissen sehr ernst genommen. Für mich ist das Theater HORA ein Ort, der geprägt ist von Humor und dem Mut, sich in seiner Andersartigkeit zu feiern und zu präsentieren. In diesem Sinne ist es eigentlich auch ein utopischer Ort für unsere Gesellschaft.
Anja Horst: Zu einem zentralen Punkt eurer Arbeit gehört die Zusammenarbeit mit externen Künstler:innen, Kollektiven und Theatern aus dem In- und Ausland. Warum ist euch das so wichtig?
Yanna Rüger: Wir wollen keine Insel sein. Wir wollen nicht im eigenen Saft schmoren. Uns ist es wichtig, sich über die Arbeit mit den unterschiedlichsten Menschen und Künstler:innen zu verbinden und auszutauschen. Das ist inspirierend und bereichernd, sowohl menschlich als auch künstlerisch. Für alle Beteiligten.
Anja Horst: Vor allem die grösseren Theater haben sehr feste Strukturen. Stehen diese nicht oft im Gegensatz zu den Bedürfnissen eurer Spieler:innen? Welche Hürden müsst ihr überwinden?
Yanna Rüger: Vor allem die grossen Stadttheater sind an bestimmte Abläufe gebunden, und die lassen sich tatsächlich oft nicht gut mit den Bedürfnissen unserer Spieler:innen vereinen. Die Probenzeiten sind zum Beispiel problematisch.
Anja Horst: Weil oft in zwei Blöcken à vier Stunden geprobt wird?
Yanna Rüger: Ja. Das übersteigt zum Teil die Kapazität unserer Spieler:innen, zum anderen kollidiert es mit den Strukturen der Wohnheime. Dort gibt es geregelte Essenszeiten. Es braucht viel Geduld und Organisation, um eine solche Kooperation zu realisieren. Aber es ist toll, dass es ein grosses Interesse gibt, individuell nach Lösungen zu suchen. Das HORA-Manifest dient uns dabei als Grundlage.
Anja Horst: Gibt es Entwicklungen und Lernprozesse, die zu einer inhaltlich und strukturell inklusiveren Zusammenarbeit geführt haben?
Yanna Rüger: Es braucht viel Zeit, um Häuser langfristig strukturell aufzuweichen oder zu verändern. Aber es gibt auf jeden Fall Lernprozesse. Eine zweite Zusammenarbeit setzt schon an einem anderen Punkt an. Dann ist ein Bewusstsein dafür entstanden, was es bedeutet, mit Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung zu arbeiten. Konsequent wäre es, auch für sie Arbeitsplätze in den Werkstätten, der Schneiderei oder der Maske anzubieten. Aber es bedeutet einen erheblichen Mehraufwand, einen geschützten Arbeitsplatz anzubieten. Es braucht Begleitung. Es braucht Geld und Ressourcen. Daran scheitern solche Entwicklungen häufig, obwohl die Bereitschaft der Menschen im Betrieb eigentlich da wäre.
Anja Horst: Was bedeutet Inklusion für dich persönlich?
Yanna Rüger: Die Bereitschaft, unterschiedliche Bedürfnisse wahrzunehmen und zu respektieren. Und vor allem auch Verantwortung zu übernehmen und füreinander Sorge zu tragen. Inklusion gelingt eigentlich erst dann, wenn alle Beteiligten bereit sind, diese Care-Arbeit mitzutragen.
Anja Horst: Ihr hattet gerade Premiere mit einem neuen Projekt: Leonce und Lena – HORA total!. Diese Produktion wird auch bei Konzert und Theater St.Gallen am 13. und 14. März 2025 zu sehen sein. Zum ersten Mal haben Ensemblemitglieder von Theater HORA in allen an der Produktion beteiligten Bereichen mitgearbeitet. Ist das ein weiterer konsequenter Schritt in Richtung Teilhabe?
Yanna Rüger: Das war ein grosses Projekt, bei dem Menschen mit und ohne Beeinträchtigung in verschiedensten Teams zusammengearbeitet haben. Auch externe Künstler:innen, die aber schon in einer Arbeitsbeziehung mit dem HORA standen. Es war uns wichtig, dass wir da an etwas anknüpfen können. Es ist nicht das erste Projekt des Theaters HORA, in dem es um mehr Teilhabe und Entscheidungsverantwortung geht. Aber diesmal waren die Ensemblemitglieder wirklich in allen Bereichen vertreten: Regie, Kostüm, Bühnenbild, Dramaturgie, Spiel, Organisation. Wir hatten das Glück, dass wir personell und finanziell in der Lage waren, diese grosse Eigenproduktion zu realisieren. Ausserdem hatten wir genügend Probenzeit, um uns auf neue Erfahrungen einzulassen. Es war aufregend und bereichernd, aber wir sind auch an Grenzen gestossen. Alles, was mit Organisation und Zeitplanung zu tun hatte, war nicht so einfach. Da muss es manchmal schnell gehen. Aber Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung brauchen einfach viel mehr Zeit, um eine E-Mail zu schreiben oder sich Notizen zu machen. Im Rahmen dieses Projektes war das möglich. Aber auch wir könnten nicht von heute auf morgen unseren Betrieb so umstrukturieren, dass diese Form der Teilhabe in allen Bereichen möglich wäre.
Anja Horst: Gab es für dich überraschende Momente?
Yanna Rüger: Einige unserer Performer:innen haben uns überrascht mit ihren ungeahnten Fähigkeiten als Bühnenbildner:innen oder in der Gestaltung der Kostüme. Das waren grossartige Entdeckungen. Und es hat mich gefreut, wie entspannt die Stimmung während des ganzen Prozesses war. Wir haben uns weniger auf das Ergebnis konzentriert als auf den Weg, das Wie. Wie wollen wir miteinander sein? Wie wollen wir diskutieren? Wie wollen wir Entscheidungen treffen? Dieser Weg war sehr bereichernd und wird uns sicher auch in Zukunft begleiten.
Anja Horst: Glaubst du, dass sich die öffentliche Wahrnehmung von Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung in den letzten Jahren verändert hat, nicht zuletzt durch eure Arbeit?
Yanna Rüger: Das kann ich so schwer beurteilen, weil ich mich natürlich in dieser Bubble bewege. Aber gerade die grosse Produktion Riesenhaft in Mittelerde, die wir mit dem Schauspielhaus Zürich gemacht haben und die dann zum Theatertreffen eingeladen wurde, hat natürlich eine grössere Öffentlichkeit bekommen und konnte viele Menschen begeistern. Als Privatperson ist mir aufgefallen, dass Menschen mit einer Beeinträchtigung plötzlich sichtbarer werden. Zum Beispiel in der Werbung.
Anja Horst: In Kürze beginnen wir gemeinsam mit Spieler:innen aus eurem Ensemble die Arbeit an unserem Familienstück Die drei Räuber von Tomi Ungerer. Wie erlebst du Kinder im Umgang mit Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung?
Yanna Rüger: Wir haben schon einige Kinderstücke gemacht und dabei nur gute Erfahrungen gesammelt. Es ist ganz normal, dass Kinder neugierig sind, Fragen haben, oder Berührungsängste. Aber das ist auch eine Verantwortung der Eltern, die Kinder da zu begleiten. Ihnen zu erklären, warum manche Menschen anders sind, anders aussehen oder anders reagieren als andere. Aber ich glaube, dass man solche Berührungsängste schnell überwinden kann.
Yanna Rüger: Das war ein grosses Projekt, bei dem Menschen mit und ohne Beeinträchtigung in verschiedensten Teams zusammengearbeitet haben. Auch externe Künstler:innen, die aber schon in einer Arbeitsbeziehung mit dem HORA standen. Es war uns wichtig, dass wir da an etwas anknüpfen können. Es ist nicht das erste Projekt des Theaters HORA, in dem es um mehr Teilhabe und Entscheidungsverantwortung geht. Aber diesmal waren die Ensemblemitglieder wirklich in allen Bereichen vertreten: Regie, Kostüm, Bühnenbild, Dramaturgie, Spiel, Organisation. Wir hatten das Glück, dass wir personell und finanziell in der Lage waren, diese grosse Eigenproduktion zu realisieren. Ausserdem hatten wir genügend Probenzeit, um uns auf neue Erfahrungen einzulassen. Es war aufregend und bereichernd, aber wir sind auch an Grenzen gestossen. Alles, was mit Organisation und Zeitplanung zu tun hatte, war nicht so einfach. Da muss es manchmal schnell gehen. Aber Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung brauchen einfach viel mehr Zeit, um eine E-Mail zu schreiben oder sich Notizen zu machen. Im Rahmen dieses Projektes war das möglich. Aber auch wir könnten nicht von heute auf morgen unseren Betrieb so umstrukturieren, dass diese Form der Teilhabe in allen Bereichen möglich wäre.
Anja Horst: Gab es für dich überraschende Momente?
Yanna Rüger: Einige unserer Performer:innen haben uns überrascht mit ihren ungeahnten Fähigkeiten als Bühnenbildner:innen oder in der Gestaltung der Kostüme. Das waren grossartige Entdeckungen. Und es hat mich gefreut, wie entspannt die Stimmung während des ganzen Prozesses war. Wir haben uns weniger auf das Ergebnis konzentriert als auf den Weg, das Wie. Wie wollen wir miteinander sein? Wie wollen wir diskutieren? Wie wollen wir Entscheidungen treffen? Dieser Weg war sehr bereichernd und wird uns sicher auch in Zukunft begleiten.
Anja Horst: Glaubst du, dass sich die öffentliche Wahrnehmung von Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung in den letzten Jahren verändert hat, nicht zuletzt durch eure Arbeit?
Yanna Rüger: Das kann ich so schwer beurteilen, weil ich mich natürlich in dieser Bubble bewege. Aber gerade die grosse Produktion Riesenhaft in Mittelerde, die wir mit dem Schauspielhaus Zürich gemacht haben und die dann zum Theatertreffen eingeladen wurde, hat natürlich eine grössere Öffentlichkeit bekommen und konnte viele Menschen begeistern. Als Privatperson ist mir aufgefallen, dass Menschen mit einer Beeinträchtigung plötzlich sichtbarer werden. Zum Beispiel in der Werbung.
Anja Horst: In Kürze beginnen wir gemeinsam mit Spieler:innen aus eurem Ensemble die Arbeit an unserem Familienstück Die drei Räuber von Tomi Ungerer. Wie erlebst du Kinder im Umgang mit Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung?
Yanna Rüger: Wir haben schon einige Kinderstücke gemacht und dabei nur gute Erfahrungen gesammelt. Es ist ganz normal, dass Kinder neugierig sind, Fragen haben, oder Berührungsängste. Aber das ist auch eine Verantwortung der Eltern, die Kinder da zu begleiten. Ihnen zu erklären, warum manche Menschen anders sind, anders aussehen oder anders reagieren als andere. Aber ich glaube, dass man solche Berührungsängste schnell überwinden kann.