Zwischen Wein und Theater
9 Uhr, in der St.Galler Filiale der Weinhandlung Martel: Zu dieser Stunde trifft sich Geschäftsführer Jan Martel am liebsten mit seinem Einkaufsteam zu Weindegustationen – dann, wenn der Gaumen noch unberührt ist. Trinken kann er den Wein um diese Uhrzeit noch nicht, für einen exzellenten Burgunder oder ein Glas Champagner macht er gelegentlich eine Ausnahme. An diesem Morgen hat unser langjähriger Weinpartner eine andere Verabredung. Er trifft auf unseren Direktor Jan Henric Bogen, um über die Gemeinsamkeiten von Wein und Theater zu sprechen.
Ihre Leidenschaft entdeckten sie auf unterschiedlichen Wegen. Jan Martel wurde in den Familienbetrieb hineingeboren, der sich seit Generationen dem Weinhandel widmet. Wein war ein ständiges Thema am Esstisch, doch in seinen Teenagerjahren lehnte er diese Welt zunächst ab – nicht zuletzt, weil ihm alkoholische Getränke schlichtweg nicht schmeckten. Während eines Praktikums in Bordeaux, drei Wochen vor dem Beginn seines BWL-Studiums, hat es dann doch gefunkt. An einem Abend erlebte er beim Trinken eines Glas Weins eine Offenbarung. «Zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, dass ein Wein zu mir spricht.», erinnert sich Martel. Die Zeit in Bordeaux nutzte er, um Weingüter zu besuchen. In den Semesterferien vertiefte er sich intensiv in die Welt des Weins, erntete Trauben, arbeitete im Labor und Weinkeller, reinigte Fässer und lernte das Handwerk von Grund auf kennen.
Bei Jan Henric Bogen hingegen erwachte die Liebe zum Theater nicht durch familiäre Einflüsse. Vielmehr zog es ihn aus eigenem Antrieb in diese Welt. Im Alter von 14 Jahren sah er Wagners Parsifal. «Ich habe damals nichts verstanden, das Werk war einfach zu gross und lang. Aber es hat mich in seinen Bann gezogen.» Ein Schülerpraktikum im Theater führte ihn zunächst in die Werkstätten, zur Theaterplastik. Er war zwar handwerklich wenig begabt, aber der professionelle Theaterbetrieb faszinierte ihn – die Art, wie alle Hand in Hand zusammenarbeiteten. Auch Bogen entschied sich zunächst für ein bodenständiges Jus-Studium, nahm aber parallel ein Musikwissenschaft-Studium auf und schuf sich auf diese Weise seine eigene Ausbildung im Kulturmanagement.
Was verbindet die Welt des Weins mit der des Theaters? «Gute Weine erzählen spannende Geschichten. Genau darum geht es bei uns und ich denke, das Gleiche gilt auch im Theater», sagt Jan Martel. Für ihn ist das Wort «Weinkultur» zentral. Martel und sein Team verstehen sich als Vermittler dieser Kultur, als Botschafter der Winzer:innen. «Sie sind unsere Autoren.» Die Weinkonsument:innen sind das Publikum, welche Martel sowohl mit Klassikern begeistern als auch für Neues gewinnen möchte. Eine ähnliche Philosophie verfolgt Jan Henric Bogen bei Konzert und Theater St.Gallen. Auch hier geht es um eine ausgewogene Mischung aus Klassikern und Neuentdeckungen. Beiden ist bewusst, dass es manchmal Zeit braucht, um einen Zugang zu finden. Im Mittelpunkt steht das sinnliche Erleben und je tiefer man in die Thematik Wein oder Theater eintaucht, desto mehr kann man entschlüsseln. Jan Martel findet es grossartig, wenn ein Theatererlebnis mit einem Feuerwerk beginnt und sofort fesselt. Aber gelegentlich braucht es auch etwas Zeit, bis er in die Welt eintauchen kann. So ergeht es ihm auch mit manchen Weinen. Bogen und Martel sind sich einig, dass das Erlebte nicht immer nur schön sein muss – vielmehr geht es darum, emotional berührt zu werden. Auch Weine mit einem ausgeprägten, kantigen Charakter, an die man sich erst gewöhnen muss, können am Ende eine tiefe Bedeutung haben.
Das St.Galler Publikum nimmt Jan Henric Bogen als anspruchsvoll und vielgereist wahr. «Wir müssen uns mit den Besten messen, das finde ich grossartig», betont er. Natürlich gibt es auch Reibungspunkte, im Theater ist die Wahrnehmung naturgemäss subjektiv, doch der anspruchsvolle Dialog ist entscheidend. Jan Martel beobachtet auch, dass sich seine St.Galler Kundschaft gerne Zeit nimmt für intensive Gespräche und Degustationen.
Bei Jan Henric Bogen hingegen erwachte die Liebe zum Theater nicht durch familiäre Einflüsse. Vielmehr zog es ihn aus eigenem Antrieb in diese Welt. Im Alter von 14 Jahren sah er Wagners Parsifal. «Ich habe damals nichts verstanden, das Werk war einfach zu gross und lang. Aber es hat mich in seinen Bann gezogen.» Ein Schülerpraktikum im Theater führte ihn zunächst in die Werkstätten, zur Theaterplastik. Er war zwar handwerklich wenig begabt, aber der professionelle Theaterbetrieb faszinierte ihn – die Art, wie alle Hand in Hand zusammenarbeiteten. Auch Bogen entschied sich zunächst für ein bodenständiges Jus-Studium, nahm aber parallel ein Musikwissenschaft-Studium auf und schuf sich auf diese Weise seine eigene Ausbildung im Kulturmanagement.
Was verbindet die Welt des Weins mit der des Theaters? «Gute Weine erzählen spannende Geschichten. Genau darum geht es bei uns und ich denke, das Gleiche gilt auch im Theater», sagt Jan Martel. Für ihn ist das Wort «Weinkultur» zentral. Martel und sein Team verstehen sich als Vermittler dieser Kultur, als Botschafter der Winzer:innen. «Sie sind unsere Autoren.» Die Weinkonsument:innen sind das Publikum, welche Martel sowohl mit Klassikern begeistern als auch für Neues gewinnen möchte. Eine ähnliche Philosophie verfolgt Jan Henric Bogen bei Konzert und Theater St.Gallen. Auch hier geht es um eine ausgewogene Mischung aus Klassikern und Neuentdeckungen. Beiden ist bewusst, dass es manchmal Zeit braucht, um einen Zugang zu finden. Im Mittelpunkt steht das sinnliche Erleben und je tiefer man in die Thematik Wein oder Theater eintaucht, desto mehr kann man entschlüsseln. Jan Martel findet es grossartig, wenn ein Theatererlebnis mit einem Feuerwerk beginnt und sofort fesselt. Aber gelegentlich braucht es auch etwas Zeit, bis er in die Welt eintauchen kann. So ergeht es ihm auch mit manchen Weinen. Bogen und Martel sind sich einig, dass das Erlebte nicht immer nur schön sein muss – vielmehr geht es darum, emotional berührt zu werden. Auch Weine mit einem ausgeprägten, kantigen Charakter, an die man sich erst gewöhnen muss, können am Ende eine tiefe Bedeutung haben.
Das St.Galler Publikum nimmt Jan Henric Bogen als anspruchsvoll und vielgereist wahr. «Wir müssen uns mit den Besten messen, das finde ich grossartig», betont er. Natürlich gibt es auch Reibungspunkte, im Theater ist die Wahrnehmung naturgemäss subjektiv, doch der anspruchsvolle Dialog ist entscheidend. Jan Martel beobachtet auch, dass sich seine St.Galler Kundschaft gerne Zeit nimmt für intensive Gespräche und Degustationen.
Wie haben sich Geschmäcker und Konsumverhalten in den letzten Jahren verändert? Jan Martel erzählt, dass der Alkoholkonsum seit 15 Jahren europaweit zurückgeht, mit einer Ausnahme: Weine von hoher Qualität erleben einen Aufschwung. Themen wie Nachhaltigkeit, vegane, alkoholarme oder alkoholfreie Weine und Regionalität rücken zunehmend in den Fokus. Bei den Rebsorten gewinnen Chardonnay und Pinot Noir an Beliebtheit, da sie leichtere, frischere Weine bieten, die dem veränderten Klima Rechnung tragen.
In der Theaterwelt beobachtet Jan Henric Bogen ähnliche Entwicklungen. Bekannte Stücke ziehen oft allein durch ihre Namen ein grosses Publikum an. Doch auch unbekanntere Werke, die das Publikum begeistern, können durch Mund-zu-Mund-Propaganda zum Erfolg werden. Zeitgenössische Autor:innen greifen aktuelle Themen auf und schaffen neue Trendstücke – wie das Schauspiel Die Ärztin, das in der letzten Spielzeit bei uns, in Konstanz und in Luzern grossen Anklang fand.
Sowohl Wein als auch Theater sind Themen, denen man sich oft erst in einem reiferen Alter nähert. Doch wie gewinnt man junges Publikum? Jan Martel setzt auf Erlebnisse. Seine Ladengeschäfte versteht er nicht nur als Verkaufsstätten, sondern als Orte der Begegnung. Hier können Besucher:innen Wein probieren, sich beraten lassen und in den Austausch kommen. Zudem organisiert Martel über 80 Events im Jahr, darunter Degustationen, Roadshows oder Weineinsteigerkurse – Letztere besonders beliebt bei jungen Menschen. Martel legt grossen Wert auf Onlinepräsenz. Sein Unternehmen betreibt den ältesten Wein-Onlineshop Europas, der umfangreiches Wissen rund um den Wein vermittelt.
Jan Henric Bogen stimmt zu: «Man muss Zugänge schaffen und Hemmschwellen abbauen, und das beginnt bereits in jungen Jahren.» Eine eigene Vermittlungsabteilung bei Konzert und Theater St.Gallen spricht beispielsweise gezielt Schulen an, um frühzeitig Interesse zu wecken. Je häufiger junge Menschen mit der Theaterwelt in Berührung kommen, desto leichter finden sie sich später darin zurecht und entwickeln Begeisterung. Das Gesamterlebnis – ein Theater- oder Konzertabend kombiniert mit einem Restaurantbesuch oder einem Special wie einer Backstage-Führung – ist entscheidend für die junge Generation.
Trotz wachsender Konkurrenz durch alternative Freizeitangebote oder Mitbewerber:innen auf dem Getränkemarkt möchten beide auf ihr Alleinstellungsmerkmal vertrauen. Für Jan Henric Bogen liegt die Stärke des Theaters in seinem Liveerlebnis. «Echte Menschen auf der Bühne, die mit dem Publikum auf eine emotionale Reise gehen. Dieses kollektive Erlebnis kann kein Streamingdienst ersetzen.» Auch Jan Martel bleibt seiner Linie treu und setzt konsequent auf Qualität. Eine Strategie, die sich bewährt hat, obwohl es in der Schweiz mittlerweile über 5000 Weinhandlungen gibt und jedes Jahr Dutzende dazukommen.
Wie stehen Jan Martel und Jan Henric Bogen zum Produkt des anderen? Bogen schätzt Apéro-Kultur in der Schweiz als gute Gelegenheit, ungezwungen ins Gespräch zu kommen. Dabei spielt der Akt des Weintrinkens eine wesentliche Rolle, man stösst an, ist schnell beim «Du» und das schafft Nähe. Auch allein zu Hause geniesst er nach langen Probentagen gerne ein Glas, vorzugsweise mineralische, trockene Weissweine.
Und was zieht Jan Martel ins Theater? Eine feste Vorliebe für ein bestimmtes Genre hat er nicht, auch hier schätzt er die Abwechslung. Durch das grosse Interesse einer seiner Töchter findet er sich jedoch häufig in Musicals wieder. Und wie geniesst Jan Martel privat Wein? Am liebsten in Gesellschaft von Familie und dem Freundeskreis, gelegentlich aber auch allein bei einem guten Buch am Cheminée. Obwohl er bei der Weinauswahl gerne auf Entdeckungsreise geht, greift er zu Hause oft zu einem Klassiker, einem Burgunder.
(Susi Reinhardt)
In der Theaterwelt beobachtet Jan Henric Bogen ähnliche Entwicklungen. Bekannte Stücke ziehen oft allein durch ihre Namen ein grosses Publikum an. Doch auch unbekanntere Werke, die das Publikum begeistern, können durch Mund-zu-Mund-Propaganda zum Erfolg werden. Zeitgenössische Autor:innen greifen aktuelle Themen auf und schaffen neue Trendstücke – wie das Schauspiel Die Ärztin, das in der letzten Spielzeit bei uns, in Konstanz und in Luzern grossen Anklang fand.
Sowohl Wein als auch Theater sind Themen, denen man sich oft erst in einem reiferen Alter nähert. Doch wie gewinnt man junges Publikum? Jan Martel setzt auf Erlebnisse. Seine Ladengeschäfte versteht er nicht nur als Verkaufsstätten, sondern als Orte der Begegnung. Hier können Besucher:innen Wein probieren, sich beraten lassen und in den Austausch kommen. Zudem organisiert Martel über 80 Events im Jahr, darunter Degustationen, Roadshows oder Weineinsteigerkurse – Letztere besonders beliebt bei jungen Menschen. Martel legt grossen Wert auf Onlinepräsenz. Sein Unternehmen betreibt den ältesten Wein-Onlineshop Europas, der umfangreiches Wissen rund um den Wein vermittelt.
Jan Henric Bogen stimmt zu: «Man muss Zugänge schaffen und Hemmschwellen abbauen, und das beginnt bereits in jungen Jahren.» Eine eigene Vermittlungsabteilung bei Konzert und Theater St.Gallen spricht beispielsweise gezielt Schulen an, um frühzeitig Interesse zu wecken. Je häufiger junge Menschen mit der Theaterwelt in Berührung kommen, desto leichter finden sie sich später darin zurecht und entwickeln Begeisterung. Das Gesamterlebnis – ein Theater- oder Konzertabend kombiniert mit einem Restaurantbesuch oder einem Special wie einer Backstage-Führung – ist entscheidend für die junge Generation.
Trotz wachsender Konkurrenz durch alternative Freizeitangebote oder Mitbewerber:innen auf dem Getränkemarkt möchten beide auf ihr Alleinstellungsmerkmal vertrauen. Für Jan Henric Bogen liegt die Stärke des Theaters in seinem Liveerlebnis. «Echte Menschen auf der Bühne, die mit dem Publikum auf eine emotionale Reise gehen. Dieses kollektive Erlebnis kann kein Streamingdienst ersetzen.» Auch Jan Martel bleibt seiner Linie treu und setzt konsequent auf Qualität. Eine Strategie, die sich bewährt hat, obwohl es in der Schweiz mittlerweile über 5000 Weinhandlungen gibt und jedes Jahr Dutzende dazukommen.
Wie stehen Jan Martel und Jan Henric Bogen zum Produkt des anderen? Bogen schätzt Apéro-Kultur in der Schweiz als gute Gelegenheit, ungezwungen ins Gespräch zu kommen. Dabei spielt der Akt des Weintrinkens eine wesentliche Rolle, man stösst an, ist schnell beim «Du» und das schafft Nähe. Auch allein zu Hause geniesst er nach langen Probentagen gerne ein Glas, vorzugsweise mineralische, trockene Weissweine.
Und was zieht Jan Martel ins Theater? Eine feste Vorliebe für ein bestimmtes Genre hat er nicht, auch hier schätzt er die Abwechslung. Durch das grosse Interesse einer seiner Töchter findet er sich jedoch häufig in Musicals wieder. Und wie geniesst Jan Martel privat Wein? Am liebsten in Gesellschaft von Familie und dem Freundeskreis, gelegentlich aber auch allein bei einem guten Buch am Cheminée. Obwohl er bei der Weinauswahl gerne auf Entdeckungsreise geht, greift er zu Hause oft zu einem Klassiker, einem Burgunder.
(Susi Reinhardt)